Entstehung

D.3.  DIE ENTSTEHUNG DER MINERALIEN

 

Unterstellt wird, dass Sammler, was ihr Sammelgebiet angeht,
wissbegierig  sind. Es geht darum, das eigene
Sammeln und vor allem die Funde in größere  Zusammenhänge
einzuordnen und zu verstehen. Es drängen sich dabei vor allem Fragen auf, die auf die
Entstehung von Mineralien bzw. ihre Entstehungsbedingungen zielen: Wie sind Mineralien
entstanden? Warum finden sich sammelwürdige Mineralien ausgerechnet an dieser oder jener
Fundstelle und nicht überall?

Mit zunehmender Erfahrung können die Fragen z.T. auf der
Grundlage der eigenen Beobachtung vor Ort beantwortet werden. Zu weitgehend unbekannten
Sammelgebieten gibt es kurze Hinweise in den Fundstellenführern oder ausführliche in
Monographien zu einzelnen Fundstellen (u.a. in den Sammlerzeitschriften). Genauere
Informationen kann man sich aus den geologischen Karten 1 : 25.000 mit den zugehörigen
Erläuterungen holen.

Zur grundsätzlichen Beantwortung der oben gestellten Fragen
nehmen wir den Weg über die Gesteinsbildung. Denn es leuchtet unmittelbar ein, dass die
Entstehung von Mineralen nicht losgelöst gesehen werden kann von dem
Gesteinszusammenhang, in dem die Mineralien gefunden wurden. Handelt es sich bei der
Fundstelle z.B. um einen Steinbruch, in dem Basalt oder ein anderes vulkanisches Gestein
abgebaut wird? Wird ein Kalkstein gebrochen? usw. Aber auch die genaue Betrachtung des
kleinen Steinbrockens mit Mineraleinschlüssen, den man auf einer Grubenhalde oder im
Steinbruch in der Hand hält, gibt  Aufschluss
über die Entstehung. Ist das Gestein auf der Halde eines ehemaligen Bergwerks geschichtet
oder geschiefert? Ist es massiv oder enthält es Hohlräume? Ist es blasenreich? usw.

Erste Antworten liefert ein Gesteinskreislauf, in dem die
Prozesse, durch die Gesteine entstehen, dargestellt werden:


07 kreislauf-gesteine.jpg (56674 Byte)
Zeichnung: Jens
Schneider

Der abgebildete Kreislauf kann in zwei Teilkreisläufe
zerlegt werden. In dem einen – endogener Kreislauf –  werden
die Vorgänge einbezogen, die sich in der Tiefe des Erdinnern abspielen, in dem anderen
geht es um die Veränderungen der Gesteine an bzw. dicht unter der Erdoberfläche unter
der Einwirkung der Atmosphäre – exogener Kreislauf.

KreislaufGesteine2003.jpg (156782 Byte)
mit freundlicher Genehmigung:
Dr. Udo Neumann, Institut für Geowissenschaften, AB Mineralogie und Geodynamik, Universität
Tübingen

Im Erdinnern finden das Erstarren, das Aufschmelzen, und die
Umkristallisation statt. Magma, das aus dem oberen Erdmantel nach oben steigt, aber in der
Erdkruste stecken bleibt, kühlt sich ab und erstarrt dabei zu festem Gestein. Nimmt der
Druck zu, unter dem das Gestein steht, z.B. durch tektonische Bewegungen in der Erdkruste,
oder steigt die Temperatur wieder, verändert sich die Mineralstruktur des Gesteins, und
aus dem magmatischen Gestein (Magmatit) wird ein metamorphes (Metamorphit). Diese
Umbildung nennt man Metamorphose. Das gleiche kann mit einem Sedimentgestein (Sedimentit)
passieren. Werden Sedimentgesteine und metamorphe Gesteine von tektonisch bedingten
Abwärtsbewegungen erfasst, können sie wieder aufgeschmolzen werden, und der Kreislauf
kann von neuem beginnen. Auch magmatisches Gestein kann auf diese Weise erneut in eine
Schmelze übergehen.

Gelangen Magmatite (z.B. bei einem Vulkanausbruch oder durch
die Abtragung auflagernder Gesteinspakete) oder Metamorphite

an die Erdoberfläche, sind sie als Folge von Hitze, Frost und Niederschlägen und
unter dem Einfluss von Organismen der Verwitterung ausgesetzt, werden abgetragen und an
tieferen Stellen der Erdoberfläche als Sediment abgelagert. Genau so unterliegen auch
Sedimentgesteine der Abtragung (Erosion), wenn der Sedimentationsraum herausgehoben wird.
Erreichen die zunächst lockeren Ablagerungen eine gewisse Mächtigkeit, verfestigen sie
sich und bilden unter dem Druck ihres eigenen Gewichts Sedimentgesteine. Diese Verdichtung
zu einem festen Gestein wird Diagenese genannt.

Schutt, Geröll
               *
                   
Brekzien, Konglomerate

Quarzsand
                  
 
*

                   
Sandstein

Tone
                           
 
*
                   
Schiefertone, Mergel

Kalkschlamm
               
*

                   
Kalkstein, Dolomit, Muschelkalk, Kreide

09.jpg (88046 Byte)  
mit freundlicher Genehmigung  © westermann  (Kartenservice)

Der Klassifizierung der Gesteine nach ihrer Entstehung im
Gesteinkreislauf entspricht eine gleiche Einteilung der Minerale nach genetischen
Gesichtspunkten: Magmatische Abfolge[1],
Metamorphe Abfolge und Sedimentäre Abfolge verdeutlichen bereits von der Begrifflichkeit
her den Zusammenhang mit der im Gesteinskreislauf dargestellten endogenen und exogenen
Erddynamik.

Magmatische Abfolge[2]

„Zur magmatischen Abfolge gehören alle
Mineralbildungen, die aus der Schmelze, aus Gasen oder Lösungen entstanden sind“
Zähflüssiges Magma bleibt beim Aufsteigen aus dem Erdmantel häufig in der Erdkruste
stecken und erstarrt langsam in einigen Kilometern Tiefe. Es entsteht ein Pluton, der zum
Abkühlen sehr lange Zeit braucht. Die Gesteine, die aus der Abkühlung und der damit
verbundenen Erstarrung entstehen, werden Tiefengesteine oder Plutonite genannt.

Welche Minerale sich aus dem Magma abscheiden und wie sie
auskristallisieren, hängt von der chemischen Zusammensetzung der Schmelze sowie von den
Temperatur- und Druckverhältnissen ab, unter denen sie erkalten. Je nachdem, ob die
magmatische Schmelze sauer oder basisch ist, entstehen unterschiedliche
Mineralparagenesen:

„Unter Mineralparagenese versteht man die natürliche Vergesellschaftung von
Mineralien, die an demselben Fundort unter etwa gleichen physikalisch-chemischen
Bedingungen nebeneinander entstanden sind.“[3]

Die Kenntnis der Paragenese kann bei der Bestimmung von
Mineralien helfen, wenn auf einer Stufe neben dem unbekannten Mineral auch bekannte oder
leichter bestimmbare Minerale vorhanden sind. Es hilft bei der Bestimmung auch weiter,
wenn man weiß, dass bestimmte Minerale nebeneinander nicht vorkommen können, z.B. Olivin
und Quarz.

Fünf  Phasen[4]
der magmatogenen Mineralbildung, die auch als Abfolgen bezeichnet werden, können
unterschieden werden:

Phase

Kristallisationsphasen

    Temperatur

     
Lagerstätten/Mineralien

 

1

Frühkristallisation:

Liquidmagmatisches

Stadium

   1200
– 900 °C

u.a. Chromit, Titanomagnetit;

Magnetkies, Kupferkies; Olivin, Diopsid, Augit,
Hornblende, Biotit, Muskovit, Plagioklas, Orthoklas, Quarz  

2

Hauptkristallisation:

Stadium der Gesteinsbildung

     900
– 650 °C

u.a. Feldspat, Quarz, Glimmer,

Pyroxen, Amphibol

3

Restkristallisation:

Pegmatitische Kristallisationsphase

     650
– 450 °C

u.a. Kalifeldspat, Quarz, Muskovit, Scheelit, Albit,
Beryll. Turmalin, Topas,  

4

Postmagmatisches Stadium: Pneumatolytische Mineralbildung

     450
– 370 °C

u.a. Eisensilikate: Andradit, Hedenbergit, Lievrit;
Eisenerze (Magnetit, Hämatit), Gold, Silber, Kupfer, Blei, Kobalt, Zinn, Wolfram

5

Postmagmatisches Stadium: Hydrothermale  Mineralbildung

   
  
< 370 °C

u.a. Gold, Silber, Kupfer, Blei, Zink, Eisen; Fluorit,
Baryt, Quarz        

Phase 1: Liquidmagmatisches Stadium (1200 – 900
°C)

Zu Beginn der Abkühlung herrschen Temperaturen von ca. 1200
°Celsius, bei denen der Pluton noch in einem flüssigen Zustand ist. Kühlt ein Pluton
langsam ab, werden ultrabasische Gesteine gebildet. Gleichzeitig kristallisieren
Bestandteile mit hohem Schmelzpunkt als erste aus: zuerst kieselsäurerearme, dann
kieselsäurereiche Minerale. Bereits in dieser Phase können Erzminerale angereichert
werden. Minerale mit hoher Dichte sinken in der noch flüssigen Schmelze nach unten, wo
sie sich anreichern. Dagegen steigen spezifisch leichte Minerale in der Schmelze nach
oben. Diese Differenzierung der Minerale nach ihrem Gewicht bezeichnet man als Gravitative
Kristallisations-Differentiation. Außerdem entmischen sich die nicht mischbaren
Substanzen noch in der Schmelze.

Da die Minerale im flüssigen Zustand des Magmas entstehen,
nennt man sie liquidmagmatische Bildungen (liquid = flüssig).

Phase 2: Hauptkristallisation (900 – 650

°C)

Die Ausscheidung von Stoffen durch Kristallisation aus der
Schmelze verändert deren chemische Zusammensetzung. In der Phase der Hauptkristallisation
bilden sich die Tiefengesteine, wieder beginnend mit den basischen Gesteinen und endend
mit den sauren, so dass sich Quarz anreichert, die Schmelze damit immer saurer (und
heller) wird, bis bei einer Abkühlung auf ca. 700 °C Granit auskristallisiert
wird.

Nach dem Schmelzpunkt geordnet, lässt sich folgende Abfolge
der Gesteinsbildung aufstellen: Gabbro  
Diorit – Granodiorit – Granit

Phase 3: Pegmatitische Restkristallisation (650 –
450
°C)

Nach der Hauptkristallisation bleibt eine mit Wasser und Gas
angereicherte Restschmelze übrig, in der seltene Elemente enthalten sind. Sinkt die
Temperatur unter 500 °C ab, erstarrt die Schmelze zu einem grobkörnigen magmatischen
Gestein, dem Pegmatit. In der Restkristallisation werden die sauren Gesteine mit einem
hohen SiO2-Gehalt (über 65 %) gebildet.

Wenn der Druck in der Schmelze durch die Aufnahme von Wasser
und Gasen den Druck im Nebengestein übersteigt, kann die Lösung in Risse und Spalten des
Muttergesteins sowie des Nebengesteins eindringen, wo sie vorhandene Minerale umwandelt
bzw. wo sich neue Minerale bilden. Bei nur geringem Druckabfall kommt es zu
Mineralausscheidungen (Restkristallisation).

Phase 4: Pneumatolytische Mineralbildung (450 – 370
°C)

Die pegmatitische Phase geht in die pneumatolytische über.
In dieser Phase sind die aus dem Magma ausströmenden Gase für die Mineralbildungen
verantwortlich. Fluor, Chlor und vor allem Wasser reichern sich nach dem
Auskristallisieren der  pegmatitischen Minerale
in den Magmenräumen an. Die Folge ist ein Druckanstieg, der dazu führt, dass die Gase in
Risse des Nebengesteins eindringen. Es kommt zu chemischen Reaktionen mit dem
Nebengestein, die gelösten Bestandteile der Restschmelze werden ausgefällt, verändern
vorhandene bzw. bilden neue Minerale. Kalk wird metasomatisch verdrängt und durch
Skarnminerale (aus Silikaten von Ca, Fe, Al) ersetzt. Metasomatose meint die
„Umwandlung von Gesteinen durch Zu- oder Abfuhr von Stoffen, die deren chemische
Zusammensetzung verändert.“[5]

Phase 5: Hydrothermale Mineralbildung (< 370 °C)

Sinkt die Temperatur des sich abkühlenden Magmas unter 375
°C, wird der vorhandene Wasserdampf durch den hohen Druck zu Wasser verflüssigt.
Es entstehen wässerige Lösungen, die in das Gestein eindringen und Stoffe lösen. Diese
Stoffe setzen sich in Spalten und Hohlräumen des Nebengesteins bei sinkender Temperatur
der Lösungen ab und bilden so einen Mineralgang. Der Grund liegt darin, dass bei hoher
Temperatur mehr Stoff löslich ist als bei tiefer Temperatur.

Für den Sammler bieten die hydrothermalen Lagerstätten ein
ergiebiges Betätigungsfeld. Die Mineralien treten in typischen Paragenesen auf, die nach
der Ausscheidungstemperatur geordnet sind:

Gold-Silber-Paragenese in goldhaltigen Quarzgängen

Kies-Kupfer-Paragenese

Blei-Zink-Paragenese

Kobalt-Nickel-Wismut-Uran-Paragenese

Zinn-Silber-Wismut-Paragenese

Oxidische Eisen-Mangan-Paragenese

Neuere Untersuchungen an Thermalquellen und bei Tiefbohrungen
haben herausgefunden, dass die hydrothermale Mineralbildung nicht an einen Pluton gebunden
sein muss. Für die Mineralisation können auch nicht-magmatogene Fluide verantwortlich
sein, d.h. mit Ionen beladene, wässrige Lösungen oder überkritische Phasen, die in
verschiedenen Stockwerken der Erdkruste festgestellt wurden[6].

D3_02.JPG (174001 Byte)
Umgezeichnet und verändert nach: Lieber,W. Der Mineraliensammler.
Thun, München 1968, S.23e


Metamorphe Abfolge

„Die metamorphe Abfolge umfasst alle Mineralbildungen,
die durch Druck und/oder Temperaturveränderungen aus anderen Mineralien entstanden
sind“. 

Die Metamorphose liegt, betrachtet man ihre wichtigsten
Parameter Druck und Temperatur, zwischen Diagenese und dem Aufschmelzen von Gestein.
Geraten Gesteinskörper unter grösseren Druck und/oder werden sie einer höheren
Temperatur ausgesetzt, kommt es zu Änderungen im Gefüge und im Mineralbestand eines
Gesteins und damit auch zu einer Umwandlung und Neubildung von Mineralen. Dabei bleibt der
Chemismus der Mineralien gleich, wie an Andalusit, Sillimanit und Kyanit (Disthen) gezeigt
werden kann, die alle die gleiche chemische Formel haben: Al2SiO4.
Andalusit mit der geringsten Dichte wandelt sich bei höherem Druck in Kyanit (Disthen)
um, bei einer Steigerung der Temperatur entsteht Sillimanit. Alle drei Phasen von Al2SiO4

kommen bei ca. 600 °C und 6,5 kbar nebeneinander vor[7].

Eine Reihe von Mineralen (u.a.. Quarz, Calcit, Albit,
Kalifeldspat, Glimmer) ist allerdings in metamorphen wie in nicht-metamorphen Gesteinen
vertreten. Diese Minerale halten also eine recht große Druck- und/oder Temperaturspanne
aus, ohne umgewandelt zu werden. Andere Minerale dagegen finden sich ausschließlich in
Metamorphiten: z.B. Biotit, Chlorit, Muskovit, Serpentin. Wiederum andere können als
Leitmineralien für bestimmte Metamorphite angesehen werden: z.B. Andalusit, Cordierit,
Epidot, Laumontit, Prehnit, Staurolith.

Auslöser der Metamorphose können das Vordringen
magmatischer Schmelzen in die Nachbarschaft eines Gesteins oder tektonische Bewegungen
sein. Bei der Metamorphose bleibt das Gestein im Wesentlichen fest, auch wenn es in
größeren Tiefen in der Nähe der Bereiche, wo es zu einem Wiederaufschmelzen (Anatexis)
kommt, plastisch wird. Die Anatexis erfolgt in einer breiten Zone, in der die Metamorphite
und die Minerale mit niedrigem Schmelzpunkt früher, die mit höherem Schmelzpunkt später
in Schmelze übergehen.

Auf der anderen Seite der Temperaturskala lässt sich
ebenfalls keine klare Grenze zur Diagenese ziehen. Die Temperatur, bei der die
Metamorphose einsetzt, ist gesteinsabhängig unterschiedlich. Bei Salzgesteinen liegt
dieser Wert sehr niedrig bei ca. 80 °C, im Allgemeinen spielt sich die Metamorphose
zwischen 200 und 900 °C ab. Der Druck resultiert zum einen aus dem Gewicht der
überlagernden Gesteinspakete, zum anderen bewirken Vorgänge bei der Gebirgsbildung einen
seitlichen Druck, der auf dem reagierenden Gestein eine Schieferung herbeiführt.

Neben Druck und Temperatur sind leicht flüchtige Anteile im
reagierenden Gestein eine wichtige Größe: H2O und CO2.
Die Abgabe von Wasser ist eine typische Begleiterscheinung der Metamorphose. Minerale, die
unter hohem Druck umgewandelt worden sind, weisen keine OH-Moleküle in ihren
Kristallgittern auf.

Im Ergebnis entstehen neue Minerale, die unter den
geänderten Bedingungen stabil sind.

Magma, das einen Pluton bildet oder in Schloten und Gängen
aufsteigt, erhitzt das angrenzende Nebengestein und löst in ihm eine Metamorphose des
Gesteins und damit eine Veränderung des Mineralbestandes aus: Kontaktmetamorphose. Diese
Vorgänge sind jedoch auf eine relativ schmale Kontaktzone beschränkt, die Intensität
der Metamorphose nimmt mit der Entfernung vom Magma bzw. dem Magmatit ab.

Welche neuen Gesteine und Minerale durch die
Kontaktmetamorphose entstehen, hängt vom Chemismus der magmatischen Intrusion und dem
Nebengestein ab[8]:
       

Tongesteine  

     *
      
Glimmerhornfelse, Glimmergneise mit Granat

Kalk
               
  
*       

Marmor

Dolomit
             
*        Marmor mit
Mg-Mineralien

Mergel
              
*        Gesteine mit
Granat, Diopsid, Wollastonit, Amphibolite u.a.

Sandstein    
       
*      

Quarzit
                       

Werden von der Metamorphose weiträumig Bereiche der
Erdkruste erfasst, spricht man von Regionalmetamorphose. Das ist der Fall beim Absinken
größerer Gesteinskörper in die Tiefe. Diese Vorgänge stehen in Zusammenhang mit
Vorgängen der Gebirgsbildung.
Bei der Regionalmetamorphose werden unter bestimmten Druck/Temperatur-Bedingungen jeweils
bestimmte Mineralparagenesen gebildet, die Bereichen mit einer eigenen charakteristischen
Mineralfazies zugeordnet werden können.
Die Mineralfazies spiegeln die gleiche Beanspruchung eines Gesteins durch die
Metamorphose. Turner hat den Begriff 1948 folgendermaßen definiert: „Eine metamorphe
Facies umfasst alle Gesteine der verschiedensten chemischen Zusammensetzungen, die
während der Metamorphose in einem bestimmten Bereich physikalischer Bedingungen stabil
gebildet worden sind.“[9]

Doch hängt der Mineralbestand eines Metamorphits auch wesentlich von der Zusammensetzung
des Ausgangsgesteins ab, so dass innerhalb einer Fazies verschiedene Mineralparagenesen
vorkommen können.

Die Vielfalt der Paragenesen wird angedeutet in dem folgenden
Diagramm, nach dem viele unterschiedliche Druck-Temperatur-Kombinationen möglich sind:

D3_03.JPG (136910 Byte) 
Vereinfacht und umgezeichnet nach: Dietrich,R.V./Skinner,B.J., Die
Gesteine und ihre Mineralien. Thun 1995 S.274 und Matthes,S., a.a.O. S.373

Die Einteilung nach Metamorphosegraden geht von dem
Temperaturanstieg aus. An den Grenzen der verschiedenen Bereiche reagieren bestimmte
Minerale, die wenig druckabhängig sind, auf die steigende Temperatur. Sie werden neu
gebildet oder zerfallen.

Im Folgenden ist eine Auswahl von Mineralienparagenesen
angeführt, die in den metamorphen Mineralfazies vertreten sind[10]:

Mineralfazies

Ausgangsgestein

Paragenesen

Zeolithfazies

Sehr niedriggradige Metamorphose;

 

Pyroklastika, Grauwacken,

Vulkanite

Ca-Zeolithe (Stilbit-Heulandit-Laumontit-Wairakit) –
Chlorit – Quarz;

bei progressiver Metamorphose:

Prehnit, Pumpellyit, Albit, Chlorit, Epidot, Quarz

Grünschieferfazies

Niedriggradige Metamorphose

Basaltische und mergelige Metabasite (basisch)

Aktinolith-Chlorit-Epidot-Albit

 

Tongesteine (Phyllit)

Muskovit-Chlorit-Quarz-Albit

 

Kalksilikatgesteine

Calcit-Dolomit-Chlorit-Quarz-Epidot-Tremolit/Aktinolith

Amphibolitfazies

mittelgradige Metamorphose

Metabasite

Hornblende-Plagioklas-Epidot-Almandin-Biotit-Quarz

 

Tongesteine: Glimmerschiefer,

Paragneise

Quarz-Muskovit-Biotit-Almandin-Staurolith-Kyanit
(Disthen)

 

+ Epidot

 

Kalksilikatgesteine

Calcit-Diopsid-Grossular-Quarz, bei geringem SiO2-Gehalt:Calcit-Diopsid-Forsterit;

Calcit-Diopsid-Skapolith-Phlogopit

Granulitfazies

Hochgradige Metamorphose (keine Anzeichen einer
partiellen Aufschmelzung: geringe freie H2O-Gehalte)

Metabasite (Pyroxengranulit)

 

 

 

Helle Granulite/ Tongesteine

Hypersthen-Diopsid-Plagioklas-Quarz oder:
Hypersthen-Almandin/Pyrop-Plagioklas-Biotit-Quarz;

Höherer Wasserdruck/niedrigere Temperatur:
Horn-blende-Hypersthen-Plagioklas-Almandin-Biotit-Quarz

 

Quarz-Othoklasperthit-Plagioklas-Almandin,Pyrop-Kyanit/Sillimanit-Hypersthen

Hornfelsfazies

Niedriggradige Metamorphose

Metabasite

Hornblende-Hornfelsfazies:
Hornblende-Plagioklas-Diopsid-Quarz-Biotit

Pyroxen-Hornfelsfazies:
Hypersthen-Diopsid-Labradorit-Biotit-Quarz

 

Metapelite

Hornblende-Hornfelsfazies:Quarz-Andalusit/Sillimanit-Cordierit-Plagioklas-Muskovit

Pyroxen-Hornfelsfazies:
Andalusit/Sillimanit-Cordierit-Plagioklas-Orthoklas

 

Mergelige Kalksteine

Hornblende-Hornfelsfazies: Calcit (seltener
Wollastonit)-Diopsid-Grossular-Quarz

Pyroxen-Hornfelsfazies:
Wollastonit-Diopsid-Grossular-Biotit/Phlogopit

Blauschieferfazies

(Glaukophanschieferfazies)

Sehr niedrige Temperatur/sehr hoher Druck

Metabasite

Lawsonit-Glaukophan-Pumpellyit-Titanit-Muskovit-Chlorit

 

Tongesteine

Glaukophan-Lawsonit-Chlorit-Aragonit-Quarz-Muskovit

 

Karbonatische Gesteine

Tremolit-Aragonit-Muskovit-Glaukophan

Eklogitfazies

Hochdruckfazies unter verschieden hohen Temperaturen

Basaltische Gesteine

Granat (Almandin, Pyrop, Grossular)-Ophacit (Jadeit,
Diopsid, Hedenbergit, Acmit)-Paragenese; hinzutreten können: Quarz, Kyanit (Disthen),
Zoisit, Hellglimmer, Amphibol, Rutil

Sedimentäre Abfolge

„Die sedimentäre Abfolge umfasst alle Mineralbildungen,
die an der Erdoberfläche durch Oxidation, Verwitterung, Abtragung und Ablagerung
(Sedimentation) entstanden sind“.

Die Mineralbildung in der magmatischen und metamorphen Abfolge spielt sich in größeren
Tiefen  der Erdkruste bzw. des Erdmantels ab.
Dagegen lenkt die sedimentäre Abfolge den Blick auf die Vorgänge an bzw. dicht unterhalb
der Erdoberfläche. Damit sind nicht mehr hoher Druck und hohe Temperaturen, wie sie in
den Tiefen der Erdkruste herrschen, die entscheidenden Größen der Mineralbildung. Die
Gesteine an der Oberfläche sind den Kräften der Atmosphäre ausgesetzt, den
‚normalen’ Temperaturschwankungen und den Niederschlägen (Regen, Schnee, Eis),
die in den Erdboden einsickern. Vor allem im Winter gefrierendes Wasser bewirkt durch die
Frostsprengung die Verwitterung der Gesteine. Der Gesteinsverband wird gelockert und die
kleinen Teilchen werden der Schwerkraft folgend Hang abwärts transportiert und dort
wieder abgelagert, wo das fließende Wasser abgebremst wird und dabei seine Transportkraft
verliert, z.B. in flacheren Abschnitten oder im  Unterlauf
eines Flusses.
Hier können die mitgeführten Erze und Mineralien sich wieder in alluvialen Seifen
anreichern. Beispiele dafür sind u.a. Gold, Granat und Edelsteinseifen.

Neben dieser physikalischen Verwitterung ist die
Erdoberfläche auch einer chemischen Verwitterung unterworfen. Niederschläge sickern in
den Boden ein. Zusammen mit atmosphärischen Gasen und dem Wirken lebender Organismen
lösen sie vorhandene Mineralien auf oder wandeln sie um. Viele Minerale sind in der Regel
unter weit höherem Druck und höherer Temperatur entstanden, als in der Nähe  der Erdoberfläche herrschen. Die Folge ist, dass
sich aus vorhandenen Mineralen neue, sekundäre Minerale bilden, die unter den Bedingungen
an der Oberfläche stabil sind. Ähnliche Prozesse laufen teilweise auch auf Grubenhalden
ab, die auf der Erdoberfläche aufgeschüttet wurden.

Die chemische Verwitterung ist unter tropisch-wechselfeuchten
Klimabedingungen besonders wirksam. So werden die Feldspäte in Silikatgesteinen zu
Tonmineralen umgewandelt, insbesondere zu Kaolinit, der sich zu Kaolinlagerstätten
anreichern  kann. Durch das Wegführen von SiO2

in Lösung bleiben aus den Tonmineralen als Verwitterungsrückstände Bauxit und
Lateriteisenerz übrig. In Bentoniten, die aus der Zersetzung vulkanischer Asche und Tuffe
entstehen, findet sich Montmorillonit als Hauptbestandteil.

Im trocken-heißen Klima werden durch die Verdunstung von
Wasser Salze ausgefällt und sedimentiert: Steinsalz (Halit), Gips, Anhydrit, Salpeter.

Bei einigen Sedimenten wirken Organismen bei der Bildung mit.
Kalkausscheidende marine Organismen sind an der Entstehung von Kalkgestein  beteiligt. Ebenfalls chemisch-biogenen Ursprungs
sind Phosphorite, die auf phosphatisierte Tierskelette und/oder auf ausgelaugten Guano
zurückgehen.

Beispielhaft können die Prozesse an einem sulfidischen
Erzgang gezeigt werden, der an der Oberfläche ‚ausbeißt’: Hier bewirken die
Einwirkungen der Atmosphäre eine vertikale Zonierung des Erzganges im oberen Teil:

D3_04.JPG (79224 Byte)
Die Aufzählung der Minerale ist nicht vollständig.

Streicht z.B. ein hydrothermaler Erzgang an der Oberfläche
aus, werden die vorhandenen Primärerze und Mineralien in den atmosphärischen
Wasserkreislauf einbezogen. Oxidische und sulfidische Erze unterliegen der Verwitterung
und werden umgewandelt. Im obersten Teil wirken die Bodenluft und das einsickernde
Niederschlagswasser unmittelbar auf die Erze und Minerale ein. Das relativ
sauerstoffreiche und Kohlensäure enthaltende Sickerwasser zersetzt die Ausgangsgesteine
und –minerale. Sulfiderze werden dabei oxidiert. Pyit wandelt sich unter Bildung von
Schwefelsäure in Limonit um. Die Schwefelsäure verstärkt die Lösungsvorgänge und
trägt dazu bei, dass die Metallionen in Lösung in die Tiefe abgeführt werden. Bei
pyritreichen Kupfererzen wird das Kupfer gelöst, Ähnliches passiert mit Silber und
Mangan. Eisenoxide und vor allem Eisenhydroxide (Hämatit, Limonit) bleiben jedoch
aufgrund der geringen Löslichkeit in der Nähe der Oberfläche zurück, ebenso Quarz,
Baryt und Manganoxide. Die durch den Limonit verursachte Braunfärbung des Bodens hat den
alten Bergleuten oft den Erzgang verraten. Sie sprachen vom „Eisernen Hut“. Der
Eiserne Hut gehört zur Oxidationszone, die nach unten bis zum Grundwasserspiegel reicht.
In der Oxidationszone werden manche Oxide und Karbonate (aus dem Nebengestein)
ausgefällt. Der größte Teil der gelösten Metalle bleibt aber bis ins sauerstoffarme
Grundwasser in Lösung, in dem reduzierende Bedingungen herrschen. Das mit Metallionen
beladene Wasser trifft auf primäre Sulfide  Dadurch
werden die gelösten Metalle ausgefällt und sekundäre Sulfide unedler Metalle gebildet.
Dieser Vorgang erklärt das Auftreten von Kupfer, Silber, Gold in der Zementationszone,
die unterhalb des Grundwasserspiegels folgt. Eine Reihe von Mineralen, die sowohl als
primäre oder sekundäre Minerale entstanden sein können, finden sich in der
Zementationszone wie in der Primären Zone.

Der Erzgehalt der Oxidationszone ist durch die Auslaugung  niedriger als in der primären Zone und in der
Zementationszone. Hier ist der Erzgehalt durch die Anreicherung aus den
Verwitterungslösungen weit höher als in der Primären Zone und wird daher für einen
Abbau lohnend. Das Erz kann zudem oft im Tagebau abgebaut werden. Lagerstätten dieses
Typs liefern weltweit den größten Teil der Eisenerzförderung.


[1] Abfolge
meint die Entwicklungsreihe für die Entstehung der Gesteine und Mineralien. Das bedeutet,
dass z.B. bei sinkender

      Temperatur der Gesteinsschmelze Minerale mit
gleichem Schmelzpunkt gleichzeitig auskristallisiert werden. Ihnen folgen

       dann die Minerale, deren Schmelzpunkte bei der
weiteren Abkühlung des Gesteinskörpers der gerade herrschenden

      Temperatur entsprechen. Vgl. Lieber,W., Der
Mineraliensammler. Thun, München 1968, S.21

[2] Die den
Abschnitten zu den drei Abfolgen vorangesellten Definitionen sind entnommen von:
Hochleitner, R., Fotoatlas der

      Mineralien und Gesteine. München 1981, S.21

[3] W.Lieber a.a.O.
S.21

[4] Die tabellarische
Übersicht orientiert sich an H.J.Rösler, Lehrbuch der Mineralogie. Leipzig 1991,
S.185-193; W.Lieber a.a.O.

      S.17-40; Yazdanfar,K./Wöhrmann,H., Entstehung von
Minerallagerstätten. In: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie

      H.61, 2001, S.8-11

[5] Rothe,P.,
Gesteine. Entstehung – Zerstörung – Umbildung. Darmstadt 2005, S.182

[6] Vgl.
Kirnbauer,Th./Schwenzer,S.P., Einführende Hinweise…in: Geologie und hydrothermale
Mineralisationen im

      Rechtsrheinischen Schiefergebirge. Nass. Verein f.
Naturkunde SB 1, Wiesbaden 1998, S.9-13; die Definition von

      Fluiden auf  S. 10

[7] Vgl. den
Tripelpunkt T im Diagramm Faziesbereiche und Intensität der Metamorphose, unten

[8] Nach Rothe,P.,
a.a.O. S.107

[9] Zitiert in:
Matthes,S., Mineralogie. Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und
Lagerstättenkunde.

      Berlin, Heidelberg 1990, S.338/339

[10]
Zusammengestellt aus: Dietrich,R.V./Skinner, B.J. a.a.O. S.276; Matthes,S. a.a.O. S.
354-372